FDP-Fraktion spricht sich für mehrheitliche Privatisierung des Eigenbetriebes Bestattungswesen aus: „Aus Erfahrung muss man auch lernen wollen“
Die FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat hat der Privatisierung eines Minderheitenanteils des bisherigen städtischen Eigenbetriebes Bestattungswesen eine Absage erteilt. „Die Erfahrungen im Zuge der Privatisierungen von HLkomm und perdata haben gezeigt, dass eine Minderheitenprivatisierung wirtschaftlich nicht tragfähig ist“, so FDP-Fraktionsvorsitzender Reik Hesselbarth, „am Ende des Verfahrens hatte das auch eine knappe Stadtratsmehrheit inklusive des Oberbürgermeisters erkannt. Jetzt darf der gleiche Fehler nicht noch einmal gemacht werden. Das Verfahren muss von Anfang an transparent gestaltet werden. Die Devise muss jetzt lauten: Aus Erfahrungen muss man lernen wollen – auch in Leipzig.“
Die FDP-Fraktion hat daher einen Änderungsantrag ins Stadtratsverfahren eingebracht. Darin schlagen die Liberalen die Öffnung der Ausschreibung von bisher 49,9 Prozent für Anteile „bis zu 100 Prozent“ vor. Bis zum 30.06.2013 soll der Oberbürgermeister dann einen Beschlussvorschlag in den Stadtrat zur eigentlichen Privatisierung einbringen. Hierin soll dann ein Mehrheitsanteil veräußert werden.
„Es geht jetzt darum ein defizitäres Unternehmen in die wirtschaftliche Freiheit zu entlassen und es so mit einem neuen Partner fit für die Zukunft zu machen. Der Markt für Bestattungen ist bereits jetzt gut funktionierend. In vielen anderen Städten gibt es keine öffentlichen Bestattungsunternehmen. Es gibt daher keinen Grund, an einer Mehrheit festzuhalten. Vielmehr würde dieses Vorgehen die Probleme der perdata- und HLkomm-Ausschreibungen nur wiederholen. Wirtschaftlich für die Stadt vertretbare Angebote werden ausbleiben und das Verfahren wird dann – wie bei den beiden Stadtwerke-Töchtern – doch geöffnet oder ganz abgesagt. Wir stehen zu einem fairen Verfahren und das geht nur bei einer Öffnung der Ausschreibung“, so Reik Hesselbarth.
Der Änderungsvorschlag im Wortlaut:
Der Beschlusspunkt 10 wird wie folgt geändert:
Die Ratsversammlung bestätigt des Weiteren die Absicht, unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorschriften der SächsGemO nach einer formellen Privatisierung des Eigenbetriebes Städtisches Bestattungswesen Leipzig bis zu 100 % des Anteils am Stammkapital der neu gegründeten „Städtisches Bestattungswesen Leipzig GmbH“ an einen privaten Investor zu veräußern. Der Oberbürgermeister wird ermächtigt und beauftragt, alle notwendigen und zweckmäßigen Schritte und Handlungen zur Vorbereitung der Veräußerung von bis zu 100 % an der „Städtisches Bestattungswesen Leipzig GmbH“ vorzunehmen und der Ratsversammlung bis zum 30.06.2013 einen entsprechenden Beschlussvorschlag mit einer Ausschreibung von bis zu 100%, mindestens jedoch 50,1% vorzulegen.
Begründung:
Der EB Städtisches Bestattungswesen (EB) bewegt sich in einem wettbewerbsintensiven Markt, der von einer Vielzahl privater Anbieter gekennzeichnet ist.
Dem EB ist es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, seine Leistung betriebswirtschaftlich erfolgreich anzubieten. Auch die eingeleiteten Gegenmaßnahmen lassen – entsprechend der vorliegenden Wirtschaftspläne – keinen Jahresüberschuss erwarten (kumulierte Jahresergebnisse 2012 – 2015: TEUR – 115). Das Unternehmen wird auch mittelfristig kein risikoadäquates Ergebnis ausweisen. Vielmehr ist ein erhebliches Risiko weiterer Verluste zu erkennen, da die Restrukturierungsmaßnahmen zum Einen erst ab 2014 zu einem ausgeglichenen Ergebnis führen sollen und zum Anderen erfahrungsgemäß Restrukturierungsmaßnahmen selten im vollen Umfang umgesetzt werden können. Dem folgend, ist das Jahresergebnis 2015 mit einem Überschuss i.H.v. TEUR 4 als ambitioniert und erheblich risikobehaftet einzuschätzen.
Die Einbindung eines privaten Partners als Minderheitsgesellschafter lässt ebenfalls nicht erkennen, wie die betriebswirtschaftliche Situation zu verbessern ist: Er kann keine direkte Einflussnahmen ausüben und ist nicht entscheidungsbefugt. Er kann jedoch die Umstrukturierung der Gesellschaft unterstützen in dem er das Management aktiv unterstützt und einen Know-how-Transfer einleitet. Die wirtschaftliche Ratio lässt jedoch erwarten, dass ein Unternehmen in einem hoch kompetetiven Markt kaum vollumfänglich Know how an eine Minderheitsbeteiligung transferiert und damit einen potenziellen Wettbewerber stärkt.
Dem folgend kann eine weitere mehrheitliche Beteiligung durch die Stadt Leipzig nur mit der Notwendigkeit der Daseinsvorsorge begründet werden.
Die Anzahl der Sterbefälle hat sich in Leipzig seit 2001 von ca. 5.400 auf ca. 5.800 erhöht. Die Anzahl der Sterbefälle, die durch den EB bearbeitet wurden, sank in der gleichen Zeit von 1.060 auf 823. Der Marktanteil ist nicht nur relativ um über 25% auf 14,2% abgesunken, sondern es kam auch zu einem absoluten Rückgang der bearbeiteten Sterbefälle.
Neben dem EB sind weitere 48 Bestatter mit 92 Filialen in Leipzig aktiv. Im Vergleich mit den Städten Dresden und Chemnitz ist die Anzahl der Sterbefälle pro Bestatter in Leipzig deutlich geringer: In Dresden kommen mehr als doppelt so viele Sterbefälle auf einen Bestatter. Dies bedeutet, dass wir in Leipzig einen sehr wettbewerbsintensiven Markt mit einer hohen Funktionsfähigkeit haben.
Dies rechtfertigt nicht nur keine mehrheitliche Beteiligung der Stadt Leipzig mehr, es würde nach unserer Auffassung einen klaren Verstoß gegen die Sächsische Gemeindeordnung darstellen.