Hobusch zum Bericht zur Gesetzlichen Vertretung: „Es waren keine Einzelfälle!“

Die Leipziger Stadtverwaltung hat ihren Bericht zur Gesetzlichen Vertretung vorgelegt. Hintergrund ist der wohl größte Immobilienskandal der Nachwendezeit zu den sog. Herrenlosen Grundstücken.
Hierzu erklärt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat, René Hobusch:
„Anfangs sprach die Stadtverwaltung von einem Einzelfall. Später wurden daraus mehrere Einzelfälle. Fakt ist aber: Es waren keine Einzelfälle, sondern es gab systematische Probleme bei der Bearbeitung hunderter Fälle – offenbar, weil die Rechtslage vollkommen falsch eingeschätzt wurde oder die Verwaltung mit der Materie schlicht überfordert war. Gerade einem Rechtsamt kann man einen Rechtsirrtum nicht als Lapsus durchgehen lassen. Mit etwas Mühe und dem nötigen juristischen Handwerkszeug hätte man darauf kommen müssen, dass Erben ermittelt werden müssen. Diese haarsträubenden Fehler sind nicht nur in den ersten Nachwendejahren gemacht worden. Die haarsträubenden Fehler zogen sich bis zum öffentlichen Bekanntwerden der ersten Fälle durch eine Fernsehsendung des MDR hin. Erst danach ist sehr zögerlich und durch Druck aus dem Stadtrat – insbesondere durch unsere Fraktion – begonnen worden, die Vorgänge aufzuklären.“
Als „neuerlichen Schlag ins Gesicht der betroffenen Erben“ bezeichnete Hobusch die Einschätzung, es habe sich um Rechtsirrtümer gehandelt: „Auch wenn Investitionen weiter beschleunigt werden sollten, war der Aufbau Ost nie als Grund für faktische Enteignungen gedacht. Im Gegenteil: Zum Aufbau Ost gehörte auch der Aufbau einer rechtsstaatlich organisierten Verwaltung. Die wahren Motive für dieses Desaster werden wohl verschlossen bleiben. Dennoch ist mein Eindruck, dass nach dem Auslaufen des sog. Investitionsvorrangs das Instrument der Gesetzlichen Vertretung gerade zur rechten Zeit kam und der vermeintliche Irrtum über die zwingende Eigentümerrecherche ebenso. Und das war schlicht Unrecht! Jetzt auf Fehler in der Nachwendezeit zu verweisen, ist daher eine neuerliche Nebelkerze der Verwaltung.“
„Auch wenn systematisches Zusammenwirken von Akteuren schwierig nachweisbar ist, haben nach meiner Aktenkenntnis einige Erwerber häufiger das Instrument der Gesetzlichen Vertretung genutzt. Gerade in den späten 1990er Jahren sind zeitliche Häufigen im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Sondergebietsförderung offensichtlich. Sofern diese Erwerber wußten, dass die Stadtverwaltung die Gesetzliche Vertretung offenbar ziemlich planlos anwendet, war es so durchaus möglich, schnell und günstig an Grundstücke zu kommen“, so Hobusch, der als Rechtsanwalt tätig ist, „dass heute angemessene Kaufpreise nach teilweise mehr als 15 Jahren nicht mehr recherchiert werden können, ist verständlich. 400.000 Euro Schaden in nur drei Fällen spricht allerdings eine deutliche Sprache. Noch klarer wird es, wenn man sieht, dass bei einem jüngeren Fall die Gerichte vom dem doppelten Preis als angemessen ausgehen.“
„Oberbürgermeister und Stadtverwaltung müssen endlich begreifen, dass das Eigentumsrecht die Achillesferse einer freiheitlichen Gesellschaft ist. Diese Einsicht fehlt bis heute. Sonst würde der Oberbürgermeister als Chef der Verwaltung endlich demütiger mit dem Thema umgehen, systematische Fehler zugeben und bei allen Geschädigten öffentlich um Entschuldigung bitten. Denn aus den Akten ist ein geradezu obrigkeitsstaatlicher Umgang mit den Erben durch Mitarbeiter der Stadtverwaltung erkennbar. Es gab Hilferufe der Geschädigten und es fielen die Worte ‚eiskalte Enteignung‘. Spätestens an dieser Stelle hätte die Verwaltungsspitze, an die Schreiben adressiert waren, der Sache auf den Grund gehen müssen. Statt dessen wurde aus der Verwaltung heraus versucht, Druck auf Betroffene auszuüben.“
Zusammenfassend sagte Hobusch: „Es gab überdeutliche Anzeichen für massive Fehler in der Verwaltung. Diese hätte man spätestens Ende der 1990er Jahre erkennen müssen und auch erkennen können. Allerdings hatte sich die Spitze des Rechtsamtes offenbar in selbstherrlicher Arroganz vollkommen verselbständigt. Die nötige Dienst- und Fachaufsicht der Verwaltungsspitze funktionierte nicht mehr. Das ist und bleibt ein klares Führungsversagen – zumindest von Bürgermeister Andreas Müller (SPD). Und dafür trägt der jeweilige Oberbürgermeister die Ko-Verantwortung.“
„Was heute bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich ein kleiner Teil der Stadtverwaltung komplett verselbstständigen konnte. Dieser Teil hat nicht mehr auf dem Boden des Rechts, sondern nach eigenen Regeln gearbeitet. Wenn Bürger ob solcher Ereignisse das Vertrauen in öffentliche Institutionen verlieren, darf sich niemand wundern. Aber anstatt sich mutig und offen an die Spitze der Aufklärungsarbeit zu setzen, fällt Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zwischendurch nichts besseres ein, als einen Parteifreund mit einem 10.000 Euro teuren Gutachten zu beauftragen, um die Weitergabe der Akten zu verhindern. Dabei hätte der Oberbürgermeister das gesamte Thema Immobiliengeschäfte – auch in Verbindung mit seiner Partei – aufklären können und müssen. Allein durch Recherche öffentlich zugänglicher Unterlagen lassen sich sehr wohl Verbindungen zwischen Gesetzlicher Vertretung und Personen im Umfeld der SPD entdecken. So gibt es bspw. eine Brücke zu Akteuren im Potsdamer Immobilienskandal um die Gewoba und den damaligen Potsdamer SPD-Oberbürgermeister Platzeck. Und in diesem Zusammenhang wurden auch Spenden an die SPD bestätigt. Interessant wären daher auch die Spenderlisten der Leipziger Sozialdemokraten, die jedoch in der Aufklärungsarbeit bei den Herrenlosen Grundstücken weitgehend abgetaucht sind. Öffentlich zugänglich sind derzeit alle Spenden ab 10.000 Euro pro Jahr und Person, woraus sich nur bedingt Rückschlüsse ziehen lassen.“
Tags: herrenlose Grundstücke, Verwaltung