Hesselbarth zu Gardiners „Provinz“-Äußerung: „Leipziger Kulturfinanzierung geht zu Lasten der Spitze und der Breite“

Als „Grund, noch einmal neu über die Kulturfinanzierung nachzudenken“ bezeichnete der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Leipziger Stadtrat Reik Hesselbarth die Feststellung Sir John Eliot Gardiners, dass das Bacharchiv „Provinz“ sei. Der weltberühmte Dirigent hatte kürzlich die Präsidentschaft des Leipziger Bacharchivs übernommen. Gleichzeitig forderte Sir Gardiner mehr Geld für die Einrichtung.
„Sir Gardiner hat aufgrund seiner Tätigkeit entsprechende Vergleichsmöglichkeiten. Seine Provinz-Aussage muss der Stadtpolitik zu denken geben. Insbesondere die Bewahrer in den großen Stadtratsfraktionen sollten die eigene Position noch einmal hinterfragen. Fakt ist: Eine Finanzierung nach dem Gießkannenprinzip führt zu dem, was Sir Gardiner Provinz nennt. Für viele Einrichtungen bedeutet es nichts anderes als über die Runden zu kommen, aber keinen Cent für mehr zu haben.“
Kulturpolitik in Leipzig sollte nach Auffassung der FDP-Fraktion insbesondere die Spitze und die Breite fördern – also die Häuser und Institutionen mit internationaler Strahlkraft sowie die breite freie Szene. Stattdessen fließt der Löwenanteil weiterhin in Oper und Schauspielhaus.
Die FDP-Fraktion hatte daher zwei Strukturanpassungen vorgeschlagen. So sollte die Verwaltung von Schauspiel und Oper zusammengelegt und die Musikalische Komödie an das Stammhaus des Eigenbetriebes am Augustusplatz verlagert werden. „Stattdessen will Oberbürgermeister Jung hunderttausende Euro pro Jahr ausgeben, um die MuKo bespielbar zu halten. Für eine echte Sanierung hingegen fehlen heute und morgen das Geld. Durch diese Art der Kulturfinanzierung leiden Spitzeneinrichtungen wie das Gewandhaus aber auch eher breitenorientierte Betriebe wie das Schauspiel oder das Theater der Jungen Welt gleichermaßen. Wenn Burkhard Jung dann darauf verweist, dass vor Vorstellungen Menschen mit „Karten gesucht“-Schildern stehen, streut er damit der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Denn: Selbst deutlich steigende Besucherzahlen ändern nichts daran, dass wir alle Häuser auf Verschleiß und Substanzverlust fahren – sowohl mit Blick auf den Bauzustand, als auch mit Blick auf die künstlerische Entwicklung, denn die Premierenzahl hat sich beispielsweise bei der Oper in den letzten Jahren drastisch verringert. Stattdessen holte man alte Inszenierungen wieder ins Programm. Wie soll man das anderes bezeichnen als provinziell?“, schloss Hesselbarth.